December 23, 2022
Sie möchten Ihren Mitmenschen auf Augenhöhe begegnen? Das ist meist schwieriger als wir uns vorstellen. In diesem Blogpost erfahren Sie, wie Sie Ihren Gesprächspartnern in 4 typischen Situationen auf Augenhöhe begegnen.
Ihre Absichten sind gut: Sie möchten helfen, sich für andere interessieren oder einfach ein gutes Gespräch führen. Nach einer Weile merken Sie jedoch, dass das Gespräch abflacht und Ihr Gegenüber sich abwendet oder über Belanglosigkeiten spricht. Manchmal ist das ein Zeichen dafür, dass sich Ihr Gesprächspartner subtil herabgesetzt fühlt, ohne dass Sie es wollen oder gar bemerken.
Beim Coaching ist es besonders wichtig, darauf zu achten, dass wir unseren Klienten auf Augenhöhe begegnen. Kein Klient wird wiederkommen, wenn er das Gefühl hat, dass wir uns über ihn stellen oder ihm gegenüber in irgendeiner Weise respektlos sind. Im Folgenden möchte ich einige häufige Fallen beschreiben und natürlich auch, wie man ihnen entgeht.
Ratschläge als Laster
Maria hat ein Problem mit ihrem Chef. Sie hatte ihm einen Text geschickt und er hatte ihn korrigiert und Rechtschreibfehler hinzugefügt, die vorher nicht da waren. Sie regt sich furchtbar darüber auf und berichtet ihrer besten Freundin Louise davon. Louise antwortet: „Warum zeigst du den Text überhaupt deinem Chef – du kannst doch selbst entscheiden, oder?“ Maria fühlt sich missverstanden und herabgesetzt, und Louise hatte es doch nur gut gemeint!
„Ratschläge sind ein Laster“ lautet ein altes Sprichwort aus der Coaching-Welt. Wenn unsere Gesprächspartner uns von einem Problem erzählen, haben wir oft den Impuls, bei der Lösung zu helfen. Wenn uns dann etwas vermeintlich Geniales einfällt, zögern wir nicht mit unserer „Hilfe“. Darin zeigt sich möglicherweise die Annahme, wir hätten es besser gewusst und der andere hat es sich selbst eingebrockt, indem er nicht getan hat, was wir vorschlagen. Also eine doppelte Herabwürdigung des Gegenübers.
Anstatt also mit unserem gut gemeinten Ratschlag loszulegen, könnten wir es uns zur Gewohnheit machen, die Bemühungen unseres Gesprächspartners zunächst zu würdigen, indem wir zunächst die Schwierigkeit der Situation anerkennen und dann nach den Lösungsversuchen oder -ideen des Gesprächspartners fragen:
- Puh, das klingt schwierig! Mich würde das auch ärgern!
- Gut, dass du cool geblieben bist!
- Was hast du schon versucht?
Danach kannst du immer noch fragen, ob dein Gesprächspartner nicht gemeinsam überlegen möchte, wie man die Situation lösen könnte.
Nicht schimpfen ist genug Lob – nicht jedes Lob ist wertvoll
Boris ist leidenschaftlicher Hobbykoch und hat Kochkurse auf der ganzen Welt besucht. Für eine Party bei Freunden hat er schnell eine thailändische Suppe zusammengewürfelt. Doris probiert die Suppe auf der Party und spricht Boris an: „Die Suppe ist lecker – genau wie Maggi!“ Boris lächelt angestrengt und denkt sich: „Oh mein Gott, Trockensuppe! Kein Wunder, dass Doris‘ Geschmacksknospen so taub sind!“
Auch hier gilt: gut gemeint ist nicht gleich gut gemacht. Lob von jemandem, der sich in unserem Fachgebiet nicht gut auskennt, kommt bei uns nicht gut an. Lob erlaubt mir auch, mich über eine andere Person zu stellen. Ich erlaube mir, zu urteilen, anstatt meine Wertschätzung auszudrücken.
Wenn ich meine Wertschätzung ausdrücken möchte, kann ich besser „loben“, indem ich bei den Einzelheiten bleibe, sozusagen meinen Eindruck beschreibe und mich dann für die andere Person und ihre Leistung interessiere:
- Wow, Boris, diese Suppe ist lecker! Ich mag das so süß und würzig!
- Erzähl mal, wie wird das zubereitet, wenn es kein Küchengeheimnis ist?
- Wo hast du das gelernt?
Das führt bestimmt zu einer ehrlicheren Verbindung.
Nicht jede Frage ist eine gute Frage: Othering
Ines lebt mit Gudrun zusammen. Sie planen in ein paar Wochen ihre Hochzeit. Herbert kennt sich mit gleichgeschlechtlichen Beziehungen nicht so gut aus und fragt neugierig: „Wer ist denn die Braut und wer der Bräutigam?“ und „Trägt ihr denn beide ein Kleid, oder wie ist das?“ Ines und Gudrun werden aufgefordert, viele Details zu erklären, die ein heterosexuelles Paar nie beantworten müsste. Sie fühlen sich „nicht normal“. Herbert meinte es nur gut und wollte einfach Interesse zeigen.
Herbert „othered“ Ines und Gudrun, macht sie zu Menschen, die nicht zu uns gehören. Leider passiert das häufig LGBTQ-Personen, Menschen mit anderer Hautfarbe oder solchen, die sichtlich nicht der Mehrheitsgesellschaft entsprechen. Die Fragenden wollen meist nicht ausgrenzen, sondern lernen. Dennoch fühlt es sich so an, als würden sich die Fragenden über die Befragten stellen: „Ich bin normal, du nicht.“
Was kann ich also tun, wenn ich nicht ausschließen, sondern einfach nur mein Interesse bekunden möchte?
- Zunächst halte ich meine Neugier im Zaum und reagiere mit der entsprechenden Emotion – Freude bei einer Hochzeit, Trauer bei einem Todesfall …
- Dann warte ich ab, was die Leute mir erzählen, ohne dass ich nachfrage.
- Wenn ich neugierig bin, stelle ich einfach die Fragen, die ich stellen würde, wenn es sich um Menschen aus meiner eigenen Gruppe handeln würde.
- Wenn ich immer noch neugierig bin, kann ich die Person im passenden Moment privat fragen, ob sie mir etwas über ihr Land, ihre Religion, ihre Gemeinschaft erzählen möchte.
Das Gespräch führen
Lisa kommt schlecht gelaunt nach Hause. Jonas, ihr Freund, möchte gerne ins Kino, aber nicht mit einer schlecht gelaunten Lisa und will helfen: "Lisa, was ist los?" Lisa murmelt etwas in ihren nicht vorhandenen Bart. Jonas hakt nach: "Komm, erzähl es mir!" Lisa seufzt: "Ach, im Büro lief es nicht so." Jonas lässt nicht locker: "Was ist passiert, erzähl es mir!" Lisa guckt genervt: "Nein, lass mich in Ruhe!" Jonas versteht die Welt nicht mehr. Er wollte doch nur nett sein!
Mit dem Nettsein hat es wohl nicht ganz geklappt. Jonas glaubt, er wüsste, wie er Lisa helfen könne: Man müsse über Probleme reden, um sie zu lösen. Lisa aber wollte den ganzen Mist einfach nur vergessen. Indem Jonas die Gesprächsrichtung ziemlich vehement vorgibt, stellt er sich über Lisa: Er weiß, worüber gesprochen werden muss, damit es besser wird.
Wenn Jonas Lisa fragen würde, wie er helfen kann, wäre das Gespräch eher ein Gespräch zwischen gleichberechtigten Partnern:
- "Oh, was ist los – willst du es mir erzählen?"
- "Oh nein, ich möchte es einfach vergessen."
- "Okay, kann ich irgendetwas für dich tun?"
- "Umarme mich einfach."
Tada – Filmabend gerettet.
Ich hoffe, du kannst diese vier Fallen in Zukunft vermeiden. Wenn wir immer wieder darüber nachdenken, wie wir partnerschaftlich handeln können, werden wir uns bestimmt besser verstehen und gleichberechtigtere Beziehungen pflegen – viel Spaß beim Ausprobieren.
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